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Eine dankbare Reise – John Rabes Geschichte wird noch einmal in Europa erzählt

Ein Erfolg in drei Städten und zwei Ländern: Die Europatournee der Oper “Die Tagebücher von John Rabe” geht zu Ende

Als am Abend des 10. Juli der Vorhang der letzten Vorstellung der Europatournee der chinesischen Originalproduktion “Die Tagebücher von John Rabe” fiel und die Musiker den tosenden Applaus des Publikums entgegennahmen, blieb kaum ein Auge trocken.

Die Reise der Oper „Die Tagebücher von John Rabe“ des Jiangsu Centre for the Performing Arts und der Jiangsu Performing Arts Group, die gemeinsam von der Jiangsu Cultural Investment Group und der Jiangsu Performing Arts Group unter Leitung der Propagandaabteilung des Parteikomitees der Provinz produziert wurde, hatte am 3. Juli begonnen. Sie führte durch drei Städte in zwei Ländern: In der Berliner Staatsoper unter den Linden und im Wiener Ronacher gab es je zwei Aufführungen der Oper, in der Elbphilharmonie in Hamburg wurde außerdem an einem Abend eine Orchesterversion gespielt. Wang Yanwen, Leiter der Propagandaabteilung und Mitglied des Ständigen Ausschusses der KPCh der Provinz Jiangsu wohnte jeder einzelnen Aufführung bei.

Auf dieser Reise berührte „Die Tagebücher von John Rabe“ die Menschen in Europa und sorgte dafür, dass noch mehr die wahre Geschichte von John Rabe und seiner internationalen Freunde kennenlernen, die den Flüchtlingen in Nanjing beistanden.

Auf dieser Reise hatten die Nanjinger Gelegenheit, in der Heimat John Rabes ihrer tiefempfundenen Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen.

Und auf dieser Reise hat „Die Tagebücher von John Rabe“ die Türen zu vielen großen Opernhäusern geöffnet, damit auch dort Geschichten aus China erzählt werden können.

 

Eine chinesische Originalproduktion, historische Premieren in europäischen Häusern

Unter den vielen Premieren, die diese Tournee mit sich brachte, sind zumindest diese zu nennen: In den 277 Jahren des Bestehens der Berliner Staatsoper und der über hundertjährigen Geschichte des Wiener Ronachers war mit „John Rabe“ zum ersten Mal eine chinesische Künstlertruppe zu Gast und zum ersten Mal eine chinesische Originalproduktion in Opernform zu sehen. Auch in die noch junge Hamburger Elbphilharmonie brachte man zum ersten Mal eine chinesische Eigenproduktion. Alle drei Städte sind wichtige Opernmetropolen und alle drei Häuser gehören zu den wichtigsten der Welt. Den Stolz und die Freude darüber konnte auch der Generalkonsul der Volksrepublik China in Hamburg, Du Xiaohui, nicht verbergen, als er nach der Aufführung auf die Bühne trat und sich direkt an das Publikum wandte.

Dies war am Abend des 6. Juli, als die Orchesterversion der „Tagebücher von John Rabe“ einen nicht enden wollenden Applaus in der weltberühmten Elbphilharmonie erntete. Nach fast zwei Stunden virtuoser Darbietung im nicht leicht zu beherrschenden Saal gab es über zwanzig Minuten lauten Beifall und stehende Ovationen, fünf „Vorhänge“ wurden für das Orchester und die Sängerinnen und Sänger gezählt.

Li Zhuang, der bei der Zentralen Propagandaabteilung für die Förderung chinesischer Kultur im Ausland zuständig ist, zeigte sich dabei vor allem von dreierlei beeindruckt: vom hohen künstlerischen Niveau der „John Rabe“-Oper, von ihrem hehren Anspruch und von dem großen Erfolg, den ein chinesisches Werk nun auch international feiern konnte. Alle fünf Aufführungen hätten auf Bühnen stattgefunden, die zu den wichtigsten der Welt gehören. Hier mit Beifall und Bravos bedacht zu werden, sei außergewöhnlich wertvoll. Von „Der große Kanal“ über „Jianzhens Reise in den Osten“ bis hin zu „Die Tagebücher von John Rabe“ hätten die Künstler aus Jiangsu immer neue Wellen der Begeisterung in ihrer Heimat ausgelöst. Wie sie nun auch noch die chinesische Kultur erfolgreich in die Welt trügen, sei bewundernswert.

Das für die Produktion verantwortliche Team konnte herausragende nationale und internationale Talente zusammenbringen. Der Komponist Tang Jianping, die Librettistin Zhou Ke und der Dirigent Xu Zhong hatten sich auch schon zuvor in der Opern- und Theaterwelt einen Namen gemacht. Dazu kamen die jungen Talente der nach 1980 Geborenen: die Regisseurin Zhou Mo, die Bühnenbildnerin Wang Jing und der Orchesterdirigent Cheng Ye. Zu ihnen stießen außerdem Tian Haojiang in der Rolle von John Magee und der Gast-Violinist Xu Yang, die alle internationale Erfahrung besitzen. Aber natürlich ist die Oper ein Gesamtkunstwerk, die die Zusammenarbeit vieler weiterer Künstler erforderte: Ebenso beteiligt am gemeinsamen Erfolg waren das Symphonieorchester der Jiangsu Performing Arts Group, das Symphonieorchester Suzhou, das Ensemble des Opern- und Tanztheaters der Jiangsu Performing Arts Group, der Chor und das internationale Trainingscamp für junge Sängerinnen und Sänger „iSING! Suzhou“.

Besondere Erwähnung verdient ebenso, dass „John Rabe“ nicht nur ein wichtiges Projekt für den internationalen Kulturaustausch ist, sondern sich auch am Markt behaupten konnte: Die Tickets waren begehrt und schnell ausverkauft. Dabei bestand das Publikum keineswegs nur aus Mitgliedern der chinesischen Communities im Ausland, sondern hauptsächlich aus lokalen Zuschauerinnen und Zuschauern. Dies lag sicherlich auch an der starken Medienpräsenz: Sowohl der Tagesspiegel, die Berliner Morgenpost, das Hamburger Abendblatt als auch die österreichische Kronen Zeitung und der Kurier berichteten großformatig über die Gastspiele.

Als der Direktor der Jiangsu Cultural Investment Group Sheng Lei an den komplizierten Prozess des Schaffens und Planens zurückdachte, der bereits 2017 begann, konnte er seine Begeisterung kaum zurückhalten: „Nur mit hoher Qualität und hohem Anspruch konnten wir internationale Anerkennung gewinnen, nur mit professionellem Betrieb auf höchstem Niveau konnten wir internationalen Ansprüchen genügen und nur mit bester Kommunikationsarbeit konnten wir insgesamt 8.400 Menschen anziehen und ins Blickfeld von noch mehr Europäern geraten.“

Der Direktor der Jiangsu Performing Arts Group Zheng Zeyun hat die vergangenen zwei Monate vor allem auf internationalen Reisen verbracht. Im Juni tourte er mit „Jianzhens Reise in den Osten“ 22 Tage lang durch die USA, im Juli kam er mit „Die Tagebücher von John Rabe“ für elf Tage nach Europa. „Die Oper ist das Juwel unter den Bühnenkünsten. Jiangsu hat in den letzten Jahren fünf neue Opernstücke geschaffen. Eine solche Zahl von Eigenproduktionen, die zudem auch noch international auf Tournee gehen, ist in China selten. Jiangsu ist auf dem Weg, Weltniveau zu erreichen.“

„Das ist die erste chinesische Opernproduktion, die wir in den 28 Jahren seit Bestehen von Wu Promotion ins Ausland bringen,“ kommentierte Wu Jiatong, Chef der Firma Wu Promotion, die jedes Jahr vier bis fünfhundert Kulturveranstaltungen in China und dem Ausland organisiert. Die Begeisterung für chinesische Darbietungen im Westen zu wecken, sei im Grunde ganz einfach: gute Stücke. „Es müssen nur hochwertige Darbietungen sein, die mit viel Liebe zum Detail geschaffen werden, dann ist die Überwindung kultureller Differenzen und das Gewinnen des Publikums überhaupt kein Problem.“

 

Geteilte Gefühle, eine wahre Geschichte

In der Pause der Aufführung am 9. Juli in Wien blätterte der Filmkritiker Leon Torossian eifrig durch das Programmheft. „In den klassischen europäischen Opern geht es nur selten in solch einer Weise um den Krieg. Für mich ist ‚Die Tagebücher von John Rabe‘ eine ganz neue Erfahrung. Ich wusste vorher nur, dass sich China und Japan im Zweiten Weltkrieg feindlich gegenüberstanden, aber vom Massaker in Nanjing hatte ich noch nie gehört.“

Matthias Schulz, Intendant der Berliner Staatsoper, sagte, ein wichtiger Grund für die Entscheidung „John Rabe“ einzuladen, sei das Thema gewesen. „Es ist eine gute Geschichte.“

John Rabe hatte mit internationalen Mitstreitern im Jahr 1937, mitten im Massaker von Nanjing, eine „Internationale Sicherheitszone“ eingerichtet und damit zahlreichen Menschen das Leben gerettet. Sein umfassendes Tagebuch wurde zu einem wichtigen Zeugnis der japanischen Gräueltaten. Seine Geschichte bildet den historischen Hintergrund für die Oper „Die Tagebücher von John Rabe“.

Berlin ist der Ort, an dem John Rabe aufwuchs und starb. Die Premiere der Oper an diesem Ort berührte das Publikum denn auch gleich zweifach, in künstlerischer als auch ideeller Hinsicht. Dieter Jaenicke, Intendant der internationalen tanzmesse nrw, kennt Rabes Geschichte aus seinen Forschungen zum Massaker von Nanjing und der deutschen Geschichte jener Zeit gut. Er hat auch den Film zu John Rabe gesehen: „Die Oper nutzt ein anderes Medium, um diese Geschichte zu erzählen, aber auch das ist ein guter Weg, um sie noch mehr Deutschen näherzubringen. Die ganze Oper war sehr gut gemacht, sie konnte das Publikum auch emotional berühren. Das Orchester, die Sänger und der Chor waren atemberaubend.“

An seinem Geburtsort Hamburg ist man stolz auf Rabe: Die Patriotische Gesellschaft hat ihn mit einer Gedenktafel in ihre Galerie aufgenommen, eine Ehre die nur wenigen zuteil wird. Lars Anke von der Hamburger Hafen und Logistik AG sagte, dieses Stück Geschichte habe mit China und Deutschland zu tun, auch mit Hamburg zu tun, aber es zeige vor allem, wie wichtig friedliche Entwicklung und internationale Zusammenarbeit seien. Das deutsche Publikum habe dank der Untertitel (Übersetzung: Stefan Christ) und der Musik rasch einen Zugang gefunden und sei auch emotional tief berührt worden. Außerdem sei die Musik in dem Werk sehr gut eingesetzt gewesen, sie habe die Geschichte nicht übertrieben aufgeladen, sondern ganz natürlich begleitet.

„Nanjing wird euch niemals vergessen. Nanjing dankt euch.“ In ihren letzten Zeilen verlieh die Oper vor allem der Dankbarkeit vonseiten Chinas Ausdruck. „Die Aufführung dieser Oper ist eine riesige Ehre und ein Ansporn für meine Familie,“ sagte Thomas Rabe, der Enkel von John Rabe, der den Aufführungen in Berlin und Hamburg beiwohnte. „Die Oper und die Dialoge der Sängerinnen und Sänger respektieren die wahre Geschichte. Mein Großvater hat damals wirklich so mit der Führung der japanischen Armee verhandelt. Wie diese Oper die Geschichte erzählt, hat mich wirklich sehr berührt. Im Namen von John Rabes Familie möchte ich mich bei allen Beteiligten herzlichst bedanken.“

Am Tag nach der Premiere in Berlin, besuchten Repräsentanten des Opernensembles und der Provinz Jiangsu das Grab von John Rabe und zeigten auch auf diese Weise die Dankbarkeit, die man ihm gegenüber noch immer empfindet.

Pascal Abb vom Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung beschrieb seine Gefühle nach dem Hören der Oper so: „Ich fand die Aufführung großartig, von den Sängerinnen und Sängern bis zum Bühnenbild wurde die Geschichte des Leidens der Nanjinger Bevölkerung sehr effektiv erzählt.“ Er machte außerdem einen Vorschlag aus seiner Sicht als Wissenschaftler: Das Massaker von Nanjing sei eine Wunde des chinesischen Volkes, die in Europa wenig bekannt sei, weil sie in Schulbüchern gar nicht und in den Medien kaum eine Rolle spiele. „Ich denke, es wäre am besten, wenn man deutlich machte, dass es sich nicht nur um einen Teil chinesischer Geschichte handelt, sondern um einen Teil der globalen Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Die Lehren aus dieser Geschichte zu ziehen, ist eine gemeinsame Aufgabe der Menschheit.“

 

Einmal hinausgetragen berührt diese chinesische Geschichte die Welt

Nach der Premiere in Berlin am 3. Juli wendete sich der Botschafter der Volksrepublik China in Berlin gerührt an das gesamte Ensemble: „Ich kenne die Geschichte von John Rabe schon lange. Dass ihr nun eine Oper nutzt, um sie zu erzählen, rührt mich wirklich. Das Publikum heute bestand größtenteils aus Deutschen. Ihr habt eine bei ihnen beliebte und ihnen vertraute Form genutzt, um zu zeigen, wie sehr Rabe das gesamte chinesische Volk bewegt und welche Dankbarkeit er auslöst. Als Kulturbotschafter habt ihr eine sehr gute Geschichte von Chinesen und Deutschen erzählt, die das Verständnis zwischen unseren Völkern noch weiter vertiefen wird.“

Nach dem Ende der letzten Vorstellung am 10. Juli gratulierte der Vertreter der chinesischen Botschaft in Wien, Liu Wei, der Operntruppe im Namen des Botschafters Li Xiaosi zum Erfolg ihrer Europatournee. „Nach über 80 Jahren wurde dieses Stück Geschichte noch einmal aus chinesischer Perspektive erzählt. Es zeigt die Leiden des Krieges ebenso wie die Schönheit der Güte und die Sehnsucht nach Frieden. Chinesische Künstler haben das Publikum berührt und bewiesen, dass die Musik eine Brücke zur Verständigung unter allen Menschen sein kann. Wien ist die Hauptstadt der Musik, das Publikum hier hat ein hohes Niveau und ist sehr anspruchsvoll. Der große Zuspruch heute Abend beweist, wie hoch ihr aller Niveau ist! Ich hoffe, es wird noch viele solcher Tourneen geben.“

„Am Abend des 9. Juli wurden zur gleichen Zeit Meng Jinghuis ‚Teehaus‘ auf dem Festival von Avignon und ‚Die Tagebücher von John Rabe‘ in Wien gespielt, das ist ein großes kulturelles Ereignis.“ Der chinesische Kulturattaché für Österreich, Chen Ping, zeigte sich begeistert von den internationalen Auftritten der Künstler aus Jiangsu. „Wir sollten das kulturelle Leben Chinas mit all seinen Facetten und Perspektiven weiter hinaustragen. Jiangsu ist in dieser Hinsicht ein gutes Vorbild. Chinesische Geschichten und Geschichten aus China, die mit der Welt zu tun haben, in einer dem Westen vertrauten Form zu erzählen, damit man dort die Kultur, das Denken und die Normen und Werte Chinas noch besser verstehen kann, das ist ein wichtiger Grund für die Förderung des internationalen Kulturaustausches.“